Mittwoch, 16. Januar 2008

Tour Süd-/osteuropa

Die Tour Süd-/osteuropa war eine von vorerst zwei geplanten Vorbereitungsreisen zur Tour Linz-Thailand. Es war überdies die erste Motorradreise außerhalb von Österreich, bei der ich hauptsächlich im Zelt nächtigte. Diese Reise ging ein bisschen mehr als drei Wochen, mit Autoreisezug, Motorrad und div. Fähren von Österreich über Kroatien, Bosnien Herzegowina, Montenegro, Kosovo, Republik von Mazedonien, Albanien, Griechenland bis zur Hauptstadt Italiens. Cirka 3600 gefahrene Motorradkilometer.

Wien - Split

Da ich die Strecke bis Split durch vorherige Reisen schon kannte, entschied ich mich für das Verladen meines Motorrades auf den Autoreisezug der ÖBB. Dieser fährt die Strecke Wien-Split jährlich nur von 14.Juni bis 23.August. Das Verladen am Südbahnhof Wien ist eine völlig problemlose Sache. Man fährt auf den Waggon und wird eingewiesen. Das Verzurren des Motorrades übernehmen dann ÖBB Bedienstete. Wer Angst um sein Moped hat, kann dies auch selbst übernehmen. Anders sieht die Sache beim Entladen in Split aus. Dort kommt nach einer Weile ein Typ, welcher alle Fahrzeuge sehr gemütlich von der Verzurrung befreit. Also legt man selbst Hand an und schon geht’s auf die Reise. Das Gepäck kann während der Fahrt am Motorrad verbleiben. Die Fahrzeit des Zuges beträgt ca. 15Std. wodurch sich ein Schlafabteil als dienlich erweisen sollte.

Mein Schlafwaggon wurde durch eine Horde von Motorradfahrern besetzt. Zufälligerweise hatte ein Motorradclub den selben Termin für eine Reise nach Split gewählt. Sozusagen, Verrückte unter sich. Sie fuhren jedoch von dort aus gemütlich retour nach Wien und hatten schon ihre Etappenunterkünfte gebucht. Ich wusste zu dem Zeitpunkt nur dass es in Richtung Süden gehen und dass ich irgendwie nach Rom kommen soll. Für Rom hatte ich mir bereits vorweg ein Ticket zurück nach Wien besorgt.
Nun gut, unser Schlafwaggon war scheinbar technisch nicht im allerbesten Zustand, denn ab der Grenze zu Slowenien funktionierte nur noch die Notbeleuchtung. Diese fiel dann ab Zagreb auch noch aus. Einige der Gangmitglieder versuchten, im Endeffekt erfolglos, das Problem zu beheben. Aufgeregt hat sich darüber zum Glück keiner. Wir sind ja erwachsene Motorradfahrer und haben im Dunkeln keine Angst. In Zagreb jedoch wollte dann der Zoll unsere Mopeds nicht freigeben. Er veranlasste sogar das Abhängen des mit den Motorrädern beladenen Waggons. Da hat er die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Aber bevor es zu Eskalationen unsererseits kam, hatte unsere Zugstewardess die Lage schon unter Kontrolle, und unsere ach so geliebte Fracht wurde wieder Teil der Zugfahrt nach Split.

Split - Dubrovnik

Wir kamen um ca. 8:00 Uhr etwas gerädert in Split an. Obwohl wir die ganze Nacht über keinen Strom und somit kein Licht hatten (es war finster wie im Arsch), konnte man in so einem Zug, trotz mäßigem Biergenuss, nicht wirklich schlafen. Man stelle sich das einfach mal vor: vier biertrinkende Typen in einem Zugabteil, kein Licht, übrigens auch kein fließendes Wasser, somit stinkenderweise herumlungernd. Da wird die Luft knapp! Man sagt zwar: "Erstunken ist noch keiner", aber glaube mir, in so einer Situation bleibt einem nichts anderes über, als das Fenster zu öffnen. Weil so ein Zug auf Schienen fährt, welche bereits in Österreich nicht besonders geräuschdämmend wirken und dies in Richtung Süden nicht besser wird, ist es in so einem Abteil extrem laut. Man kann also nicht schlafen. Was tun? Herumlungernd Bier trinken! Dadurch werden jedoch die Ausdünstungen nicht gerade besser, d.h. das Fenster bleibt offen, im Abteil ist es laut, man trinkt Bier...... Dies könnte man einen Teufelskreis nennen. Aber egal, ich fand es lustig und spannend. Wir waren eine coole Truppe, quatschten und lernten uns ein wenig besser kennen. Zwei von meinem Abteil, sie gehörten gar nicht zu diesem Motorradclub, fragten mich, ob ich bis zu ihrer Unterkunft mit ihnen fahren möchte, um dann noch einen gemeinsamen Kaffee zu trinken. Da jede Strecke in den Süden meine Strecke war, fuhren wir gemeinsam ca. 100km Richtung Dubrovnik. Ihre private Unterkunft in einem kleinen, abseits gelegenen Dorf direkt am Meer war klug gewählt. Einerseits bergig, andererseits das Wasser. Das erfreut ein Motorradfahrerherz. Wir frühstückten gemeinsam und verabschiedeten uns dann voneinander. Ab jetzt bin ich auf mich allein gestellt und meine Reise kann beginnen.

„Wenn man alleine reist, hat man die Möglichkeit, Zeit und Ruhe, seine innere Stimme zu hören. Man hat die Möglichkeit, bewusst die Kleinigkeiten, die das Leben so zu bieten hat, zu erfassen. Im täglichen Trott, im Lärm und Gewirr des Miteinander wird man davon, meines Erachtens, oft zu sehr abgelenkt. Dazu kommt, dass ich auf meinem Motorrad durch begrenztes Platzangebot nur minimales Equipment mitnehmen kann. Ich muss mir jeden Tag aufs neue eine relativ sichere Möglichkeit zum Nächtigen suchen. Ich kann dabei nicht einfach eine Tür aufsperren, um ein Dach über dem Kopf zu haben. Sich schnell unter eine warme Dusche stellen geht nicht. Um die Ecke hüpfen und einen Laden vor sich zu haben, der allerlei Nahrungsmittel anbietet, gibt es oft nicht. Um essenzielle Dinge muss man sich Tag für Tag neu kümmern. Wo schlafe ich? Wie komme ich zu Nahrungsmittel? Wie komme ich zu Geld, um mir Nahrungsmittel und auch Treibstoff zu besorgen? Wo will ich eigentlich hin? Wie komme ich dort hin? Was will ich eigentlich? Weil dies ein Prozess ist, der sich jeden Tag aufs neue wiederholt und relativ viel Zeit in Anspruch nimmt, lebt man seinen Tag voll und ganz im Jetzt. Jede Situation, jeder Ort, jeder Tag und jede Person ist neu. Man muss sich auf eine Gegebenheit im Moment dieser Gegebenheit neu einstellen. Man wird nicht von Dingen wie Arbeit, Geld verdienen, Wohnung putzen, Wäsche waschen, Freunde treffen, Eltern besuchen... abgelenkt. Dies ist, glaub ich, notwendig, um die „Kleinigkeiten“, die das Leben so lebenswert machen, wirklich bewusst zu erleben. Es ist notwendig, um darauf zu kommen, wie WUNDERBAR es ist z.B. das Meer rauschen, den Vogel zwitschern oder auch schreien, den Wind blasen hören zu können und zu dürfen. Wie grandios es ist, auf einem durch die Sonne erwärmten Stein sitzen zu können, oder überhaupt sitzen zu können. Gehen zu können. Wasser, Wind und Sonne fühlen zu können. Sehen zu können und somit Delphine springen zu sehen, Blumen zu sehen, Steinformationen zu sehen. Riechen können. Das Meer riecht nicht immer nach Meer und Salz, es riecht manchmal nach Fisch oder auch nach Pommes, wenn auf einer Insel der Wind vom Festland her weht. Es ist ein Privileg, sich die Zeit nehmen zu können, um dies alles zu erfassen. Es ist ein Privileg, im Stande zu sein, dies alles zu können. Nur wenige haben scheinbar die Möglichkeit, sich ihr Umfeld, sich ihre Umwelt so bewusst zu machen. Sie umgibt uns ständig und birgt trotzdem so viel Spannendes, Beruhigendes und soviel Neues. Aber leider werden wir im täglichen Leben abgelenkt vom Trubel und den Zwängen der sogenannten "Zivilisation". Wenn man es auch in dieser schafft, die „Kleinigkeiten“ zu entdecken, kann es einem, selbst in unserer schnelllebigen, teils ignoranten Zeit, gar nicht mehr schlecht gehen. Es kann einem selbst auf einer Insel, wo scheinbar nichts ist außer Wasser und Stein, niemals langweilig werden. Die Kleinigkeiten sind es, die das Leben spannend machen. Es besteht aus aneinander gereihten Kleinigkeiten. Wenn man diese jedoch übersieht, lebt man nicht wirklich, sondern nur so vor sich hin. Nun gut. Genug philosophiert.“

Ich lebte auf dieser Reise so im Jetzt, dass ich meist erst wusste, wohin meine Reise geht, wenn ich bereits am Motorrad saß. Nun war ich zwischen Split und Dubrovnik und saß auf meinem Motorrad. War irgendwie müde und, angesichts der bevorstehenden Abenteuer, trotzdem euphorisch. Ich fuhr auf einer richtig gut ausgebauten und von der Polizei übertrieben gut kontrollierten Küstenstrasse gen Süden. Durch teils bizarre Berg- und Wasserwelten nach Dubrovnik. Die „Perle der Adria“ und mit ihrer wunderbaren Altstadt UNESCO Weltkulturerbe.

Dubrovnik

Über die nördlich vom Hafen Gruz gelegene „Tudjman-Brücke“ fuhr ich in die Stadt Dubrovnik. Meine Reiseführer - bis auf den von Griechenland - hatte ich wegen Platzmangels zu Hause gelassen und wusste daher so gut wie nichts von dieser Gegend. Ich hatte keinen Schimmer, wo sich ein Campingplatz befinden könnte. Ach was rede ich. Ich hatte nicht einmal eine ungefähre Ahnung davon, wo nun diese ach so berühmte Altstadt liegen könnte. Gutes Kartenmaterial wurde meinerseits zu diesem Zeitpunkt noch überbewertet. Zu meinem Erstaunen setzte dann auf der schmalen Hafenstrasse ein jugendlicher Autofahrer zum Überholvorgang an, verlangsamte auf meiner Höhe sein Fahrzeug, um mir während der Fahrt ein anerkennendes „nice bike“ zuzurufen. Der kam mir in meiner Planlosigkeit gerade recht. Ich packte die Gelegenheit und fragte ihn nach einem in der Stadt gelegenen Campingplatz. Er gab mir Zeichen ihm zu folgen und einige Kreuzungen, Gassen und Anhöhen später sah ich die Beschilderung, welche mich zur Rezeption führte. Das ging ja einfacher als ich mir das je vorstellen hätte können. Mit meiner Devise „Vorbereitung ist unnötig“ behielt ich also vorerst recht.

Der Campingplatz auf der Halbinsel Lapad bot genau, was ich nun brauchte, einen Zeltplatz, Duschen und einen Meerzugang. Nachdem ich das Zelt aufgebaut und eine Kleinigkeit gegessen hatte, ging ich zum Strand. Dort waren wenige Touristen aber viele Einheimische. Es war Sonntag, hatte cirka 35°C und die allgemeine Stimmung der Menschen am Strand war gut. Kinder spielten ausgelassen im Sand, bauten Burgen oder trieben sonstigen Schabernack. Die Erwachsenen tranken Kaffee und diskutierten südländisch gestikulierend, andere aßen, so mancher las ein Buch oder beschäftigte sich mit seinen Kindern. Angesichts meiner unruhigen Nacht im Zug wurde ich jetzt richtig müde. Es ist einfach nur herrlich, sich in den wohlig warmen Sand zu legen, dem Wasser und dem Gewirr der Menschen zu lauschen und weg zu pennen. Man schläft dabei nur oberflächlich und irgendwie vermischt sich die reale mit der Traumwelt. Ich weiß nicht mehr, wie lange ich dort so gelegen und gedöst habe, aber als ich munter wurde, stand die Sonne bereits tief, rundherum packten die Menschen zusammen und machten sich auf den Nachhauseweg. Nachdem ich mich ein wenig gesammelt und die Traumwelt wieder abgelegt hatte, tat ich es ihnen gleich, schwang mich aufs Motorrad und erkundete nun erstmals grob die Stadt.
Da völlig planlos, fuhr ich nun einfach wirr von einem Eck ins andere und kam so zu den Stadtmauern der Altstadt von Dubrovnik. Ich entschied mich, eine Sightseeing- Tour auf den darauffolgenden Tag zu verlegen und besorgte mir erst mal Geld an einem Automaten. Bis heute weiß ich nicht, warum mir am ersten Geldautomaten ein altes Mütterchen in einer mir nicht verständlichen Sprache und wild gestikulierend zu vermitteln versuchte, dass ich hier nicht abheben darf. Der Geldautomat schien funktionsfähig, aber nachdem das Mütterchen so reagierte und ich dadurch das Gefühl hatte, ihr gehorchen zu müssen, was auch eine neue Erfahrung für mich war, suchte ich einen anderen Automaten auf. Man muss nicht immer alles verstehen aber man sollte auf sein Gefühl vertrauen.
Nach einem ausgiebigen und hervorragenden Abendmahl in einem durch Einheimische fast bis zum letzten Stuhl besetzten Lokal fuhr ich zum Campingplatz zurück. Ich war noch nicht einmal richtig von meinem Motorrad heruntergestiegen, luden mich meine dortigen Nachbarn auf ein Gläschen Wein ein. Sie sahen mich, mein Motorrad und dessen Kennzeichen bereits bei meiner Ankunft und waren nun neugierig, woher ich komme und wohin ich fahre. Sie sind ein älteres Pärchen, die ihre Zeit in der Pension nutzen, um mit ihrem Wohnwagen durch die Welt zu reisen. Da sich jedoch ihre Tochter fürs Heiraten entschieden hatte, waren sie gerade auf dem Weg in ihre niederösterreichische Heimat. Wir saßen einige Zeit gemütlich beieinander, tranken Wein und tauschten Reise- sowie Lebenserfahrungen aus. Die beiden reisten am darauffolgenden Tag ab und angesichts der fortgeschrittenen Zeit verabschiedeten wir uns voneinander und wünschten uns gegenseitig eine gute weitere Reise. Ich wusste zu diesem Zeitpunkt noch nicht, was ich den nächsten Tag machen wollte, geschweige denn, wohin mich diese Reise führen würde. Ich wusste nur eins, ich war müde und wollte ins Bett.

Bosnien Herzegowina

Ich schlief wie ein Baby. Auf meinen vorherigen Reisen mit Zelt hatte ich nicht einmal eine Isoliermatte dabei. Für diese Reise investierte ich jedoch in eine sich selbst aufblasende, 5cm-hohe Matratze und in einen zusammenfaltbaren Reisekopfpolster. Ich sage dir, das ist wahrer Luxus. Im Freien, nur von einer Zeltplane geschützt, wohl gebettet tief und fest zu schlafen, um am Morgen durch Vogelgezwitscher geweckt zu werden. Herrlich!
Nun war es erstmals an der Zeit, mit meinem mitgebrachten Gascampingkocher und meiner nagelneuen Espressokanne Kaffee zuzubereiten. Ich hatte alle Utensilien dabei, um mir Frühstück zu machen. Töpfe und Pfannen zum richtig Aufkochen blieben jedoch auf dieser Reise zu Hause. Während des Frühstücks überlegte ich mir, was ich an diesem Tag unternehmen wollte und entschied mich, eine Tagestour nach Bosnien Herzegowina zu machen.

Ich hatte den Reisepass am Vortag an der Rezeption hinterlegt und brauchte diesen nun für den Grenzübergang. Den Führerschein und die grüne Versicherungskarte benötige ich beim Fahren und ansonsten hatte ich nur eine nicht mehr funktionsfähige e-Card dabei. Ich war ein wenig gespannt, ob mir der Rezeptionist den Reisepass im Tausch gegen die e-Card aushändigen würde. Ich erwähnte natürlich nicht, dass diese nur noch die Funktion einer aus Plastik bestehenden Visitenkarte hatte. Somit gestaltete sich der Austausch problemlos. An der Grenze zu Bosnien interessierte sich der Zöllner ohnedies nicht für den Pass sondern nur für die grüne Karte des Fahrzeuges. Zum Glück hatte ich ein paar Tage vor meiner Abreise in Österreich erfahren, dass man ohne diese die Grenzen der Länder, die ich vor hatte zu bereisen, nicht passieren darf und hatte mir die Karte noch bei meiner Versicherung besorgt.

Ich fuhr Richtung Trebinje und anschließend nach Norden am Fluss Trebisnjica entlang, zu meiner rechten ein karges Bergmassiv und zu meiner linken eine riesige Talebene, durch die der Fluss läuft und unzählige Felder und Olivenhaine mit Wasser versorgt. Vereinzelt waren Steinhäuser zu sehen aber nirgends Menschen. Wahrscheinlich gingen sie ihrer Arbeit auf den Feldern nach. Bei Ravon fuhr ich dann Richtung Slano. In einem kleinen Dorf endete die Asphaltierung und ich quälte mich cirka 3-4km auf einer mit kopfgroßen, losen Steinen übersäten Schotterpiste weiter. Das Hinterrad tat was es wollte und schlug von der einen auf die andere Seite. Nachdem ich mich dann fast hingelegt hätte, beschloss ich umzukehren. Hier ging es unmöglich weiter. Als ich zurück zum Dorf fuhr, sahen mich dann, etwas verwundert, zwei Einheimische und winkten mir zu. Ich blieb stehen und fragte nach einem anderen Weg zurück zur kroatischen Grenze. Sie erklärten mir, dass diese Schotterpiste, auf der ich gerade entlang kam, zu Kriegszeiten ein begehrter Schmugglerpfad gewesen war, der jetzt nicht mehr zu befahren sei. Letzteres habe ich auch herausgefunden. Es waren zwei nette Zeitgenossen. Einer der beiden hat einen Cousin in der Gegend um Wien, und da ich ja auch aus dieser Gegend (=Österreich) komme, boten sie mir einen Schnaps an und zeigten mir den richtigen Weg.

Zu meiner Verteidigung muss ich hier kurz erwähnen, dass es dort so gut wie keine Beschilderung gibt und sollte doch mal ein Schild herum stehen, kann man es wegen Verwitterung, weil es von Pistolenkugeln komplett durchlöchert ist, oder aufgrund der Verwendung anderer Schriftzeichen nicht lesen. Somit habe ich mich des öfteren anhand von Flüssen oder, falls vorhanden, Zugschienen orientieren müssen. Daraus habe ich gelernt, dass gutes Kartenmaterial hilfreich sein kann. Selber schuld bin ich jedoch, dass ich dieses zu diesem Zeitpunkt noch nicht hatte. Aber das ist eine andere Geschichte.

Es war nur noch eine viertel Stunde zu fahren und schon stand ich an der Grenze zu Kroatien. Es wäre eine schöne Runde gewesen, hätte mich der dortige Zöllner über die Grenze gelassen. Dieser Zöllner sprach wenig Deutsch und noch weniger Englisch. Er nahm mir erst mal den Pass ab und verschwand in seiner Hütte. Nun stand ich in der Pampa, hatte keinen Pass, war cirka 120km seit der letzten Tankstelle gefahren und wusste somit, dass ich es nicht mehr zu dieser Tankstelle zurück schaffen würde. Am Weg hierher war nichts außer Berge, dieses wunderbare Tal und ein kleines Dorf mit zwei Schnaps trinkenden Typen. Nach cirka 10 Minuten ließ sich der Zöllner wieder blicken, ging rund um mein Motorrad, das im augenscheinlich gefiel, hielt den Pass und die Versicherungskarte in der Hand, grinste mich von einem Ohr zum anderen an und gab mir zu verstehen, dass ich hier nicht über die Grenze durfte. Ich versuchte ihm, meine Tankproblematik und die daraus resultierende Notwendigkeit des Passierens dieses Grenzübergangs auf jede erdenkliche Art und Weise zu erklären. Er war davon wenig beeindruckt, hielt nach wie vor grinsend meinen Pass in der Hand und machte keine Anstalten, ihn mir zurück zu geben. Nun blieb mir vorerst nichts anderes über, als zu warten. Ich entschied mich jedoch dazu, grinsend zu warten. So standen wir beide eine Weile. Er ging immer wieder ums Motorrad, blätterte im Pass, grinste. Ich saß auf meinem Moped, sah ihn an und grinste ebenso. Um diese doch etwas schräge Szene in eine Richtung zu steuern fragte ich ihn, ob ich irgendetwas tun könnte, um eventuell doch diesen Grenzübergang passieren zu dürfen. Daraufhin sagte er nein und gab mir meinen Pass und die Versicherungskarte zurück. Nun war für mich klar, dass es ihm nicht um Geld ging, aber verstanden habe ich auch das bis heute noch nicht recht. Egal, ich hatte meine Papiere und nun nur noch das Problem mit dem Treibstoff.

Ich fuhr erst mal zurück zu diesem kleinen Dorf, in dem ich zuvor die beiden Männer getroffen hatte und siehe da, sie standen noch immer herum. Ich erklärte ihnen kurz, was geschehen war und berichtete von meinem Spritproblem. Einer der beiden schwang sich zu mir auf mein Motorrad, zeigte mir den Weg zu einem privaten Haus, verschwand darin und kam gemeinsam mit einer anderen Person und einem Treibstoffkanister aus der Garage. Sie füllten mir den Tank auf und erklärten mir dann, dass es hier in der Umgebung nur wenig richtige Tankstellen gibt.
Ein Embargo zu Kriegszeiten veranlasste viele Menschen, selbst Treibstoff zu schmuggeln und sich einen privaten Treibstoffvorrat anzulegen. Nach wie vor haben einige diese Treibstofflager in ihren privaten Häusern. Als Zeichen dafür hängen sie irgendwo am Haus eine grüne Plastikflasche auf. Für sie ist das ganz normal, doch ich wusste natürlich nichts von solchen „privaten Tankstellen“. Steht ja auch nirgends.
Nun konnte ich zurück nach Trebinje fahren und setzte mich dort am Hauptplatz in den Gastgarten eines Restaurants. Es ist ein schönes Städtchen und man erkennt kaum mehr etwas vom blutigen Krieg der Bosniaken, Kroaten und Serben, bei dem nahezu alle Bosniaken aus dieser Gegend vertrieben und ihre sakralen Denkmäler und Moscheen zerstört wurden. Ganz im Gegenteil, es ist eine Stadt, die sehr westlich angehaucht ist. Ich habe selten so viele aufgetakelte Menschen auf einem Haufen gesehen. Oberflächlichkeit hat scheinbar einen hohen Stellenwert - westlich eben.

Ich fuhr dann noch zurück nach Dubrovnik, legte mich eine Weile an den diesmal fast einsamen Strand und sah mir am Abend die wunderbare Altstadt mit ihrer fast 2km langen, begehbaren Stadtmauer an. Nicht umsonst Weltkulturerbe, echt sehenswert (siehe Fotos). Danach gab es für mich noch die besten „seafood Spaghetti“ meines Lebens und ich beschloss, Tags darauf weiter zu ziehen. Wohin, wusste ich zu diesem Zeitpunkt wieder mal nicht. Aber eines wusste ich und schrieb es genau so in mein Tagebuch. La vita e bella = Das Leben ist schön!

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